KOOFRA – Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel e.V. Hamburg
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Offener Brief, 22.2.2024

Für eine humane Stadt Hamburg: In akuten Notlagen darf der Zugang zu Schutzunterkünften nicht am Aufenthaltstitel scheitern

Der praktische Einsatz für Menschenrechte, insbesondere für marginalisierte Gruppen, ist unser Auftrag und unsere Verantwortung als Sozialarbeitende und Berater*innen. Wir beraten und unterstützen in unseren Einrichtungen Menschen, die sich in akuten humanitären Notlagen an uns wenden.

Dazu zählen auch Menschen ohne Papiere, Unionsbürger*innen ohne Sozialleistungsansprüche, darunter vulnerable Personen wie Kinder, Schwangere, Kranke, Betroffene von Gewalt und Menschenhandel und weitere Schutzbedürftige. Dieser Personenkreis ist häufig von Obdachlosigkeit betroffen. Da die behördlichen Unterstützungsangebote aus Angst vor Meldung an die Ausländerbehörde nicht aufgesucht werden, besteht hier ein besonderes Problem: Aktuell besteht ein dringender Bedarf an sicheren Unterkünften für schutzbedürftige Personen ohne regulären Aufenthaltsstatus und/oder Sozialleistungsansprüche.

Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus ist der Zugang zu Sozialleistungen versperrt. Die Meldung bei den Behörden und Beantragung von Leistungen, beispielsweise AsylBLG, beinhaltet erhebliche Abschiebungsrisiken, weshalb Betroffene sie erst nach einer gründlichen rechtlichen Beratung und Klärung ihrer Perspektiven in Angriff nehmen sollten. Aber auch viele EU-Bürger*innen, gerade in prekären Beschäftigungsverhältnissen, sind durch § 7 SGB II von Leistungsausschluss betroffen.

Dadurch fehlt es in Notsituationen mit akuter Obdachlosigkeit an Unterstützung in herkömmlichen Einrichtungen für Wohnungslose, wie Fachstellen für Wohnungsnotfälle oder städtischen Unterkünften. Nötig wären Unterkünfte und Schutzräume für wohnungslose Menschen, die auch anonym genutzt werden können, und damit unabhängig von Aufenthaltsstatus und Sozialleistungsansprüchen zugänglich sind. Freie Träger der Wohnungslosenhilfe können Menschen ohne Sozialleistungsansprüche aufgrund ihrer Abhängigkeit von staatlicher Finanzierung nur begrenzt und auf eigene Kosten aufnehmen.

Die einzige städtische Anlaufstelle für diese Zielgruppe, das Winternotprogramm, ist nur in den Wintermonaten verfügbar, besteht hauptsächlich aus Mehrbettzimmern und kann nur über die Nacht bewohnt werden. Dies führt dazu, dass Menschen in Krisensituationen nur kurzfristig und unzureichend geschützt untergebracht werden können, ohne ausreichende Stabilität oder Entwicklungsmöglichkeiten. Ein weiteres Problem: Das Winternotprogramm kann keine Familien aufnehmen, obwohl gerade Kinder dringend Schutz benötigen.

Daher fehlt es sicheren Unterbringungsmöglichkeiten für Familien und auch für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, sowie nach Beendigung des Winternotprogramms.

Betroffene sind bei akuter Obdachlosigkeit gezwungen, im Freien zu übernachten, was sie besonders anfällig für (Re)viktimisierung macht.

Die Notlagen der Betroffenen, die aufgrund ihres irregulären Aufenthaltsstatus durchs Raster elementarer Notversorgung fallen, nehmen wir als äußerst prekär wahr. Oft sind auch wir in unseren Einrichtungen ohnmächtig bei der Suche nach nötigen Schutzräumen. Vor allem für vulnerable und zusätzlich von Rassismus betroffene Personengruppen ist dies zusätzlich gefährdend:

  • Wir erleben zum Beispiel Menschen, die Opfer von Gewalt wurden und unvorbereitet aus ihren bisherigen Wohnräumen fliehen müssen.
  • Auch Betroffene von Menschenhandel und Ausbeutung, die Zeit brauchen, um sich über ihre rechtliche Situation zu informieren, sind häufig obdachlos.
  • Gerade trans* Menschen, die besonders vulnerabel für Gewalt und Diskriminierung sind, erhalten in vielen Unterkünften keinen ausreichenden Schutz.
  • Uns begegnen Menschen, die unerwartet schwer erkranken und dadurch von heute auf Morgen ihre Unterkünfte und Arbeitsstellen verlieren.
  • Schwangere oder Mütter mit kleinen Kindern stehen etwa nach einer Kündigung oder Trennung völlig mittel- und obdachlos da, was eine akute Kindeswohlgefährdung bedeutet.

Häufig würde ein Schutzraum für eine begrenzte Zeit ausreichen, in denen die ersten rudimentären Bedürfnisse befriedigt werden, eine medizinische Versorgung stattfinden und in einem geschützten Rahmen eine rechtliche Perspektive entwickelt werden kann. Orientierung in akuten Krisensituationen erfordert einen geschützten Raum! Dabei handelt es sich nur um eine geringe Zahl an betroffenen Menschen, die aber mit ganzer existenzieller Härte vom Ausschluss von Sozialleistungen getroffen sind.

Das Fehlen von sicheren Unterkünften und Unterstützungsangeboten bringt sie in Situationen, in denen ihre Sicherheit und ihre grundlegende menschliche Würde nicht mehr gewährleistet sind. Wir fordern Sie auf, sich für die Umsetzung der Menschenrechte einzusetzen, auch für diesen Personenkreis.

Dazu gehören unserer Ansicht nachfolgende Aspekte:

  1. Ausbau von sicheren Schutzunterkünften, auch für undokumentierte Personen:

    In Fällen akuter und unfreiwilliger Wohnungslosigkeit benötigen Betroffene eine Unterkunft. Insbesondere die oben benannten besonders vulnerablen Personengruppen sind auf geschützte Unterbringungslösungen angewiesen. Investieren Sie in den Ausbau von sicheren Notunterkünften für alle wohnungslosen Menschen, die anonym und damit unabhängig vom Aufenthaltsstatus genutzt werden können.

  2. Finanzierung und Sicherung unabhängiger Beratung:

    Setzen Sie sich für eine erhöhte staatliche Finanzierung von NGOs und gemeinnützigen Organisationen ein, die Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus oder EU-Bürger*innen mit Leistungsausschluss unterstützen. Diese Unterstützung würde die Refinanzierung von Perspektivklärung, Rechtsbeistand, Sozialberatung und lebenspraktische Unterstützung ermöglichen, die all diesen Menschen dringend fehlen. NGOs leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Menschenwürde und Menschenrechten in dieser Stadt. Sie nehmen damit Aufgaben wahr, die eigentlich rechts- und sozialstaatliche Verpflichtungen für Stadt und Staat sind.

  3. Veränderung der gesetzlichen Regelungen, z.B. Die Abschaffung der Übermittlungspflicht:

    Setzen Sie sich aktiv für legislative Vorhaben ein, den Zugang zum Hilfesystem für alle sicherstellen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.

Wir erleben diese Probleme und Herausforderungen in unserer Arbeit tagtäglich. Wir möchten Ihnen hiermit, neben obenstehenden Forderungen, ein Angebot zum Gespräch unterbreiten, um gemeinsam nach Wegen zu suchen, diesen Bedarfen zu begegnen. Als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft unterstützen wir Sie gerne dabei, Ihrer Verantwortung für alle Menschen in dieser Stadt gerecht zu werden.

Mit freundlichen Grüßen,

  • 24/7 Zentrale Notaufnahme der Hamburger Frauenhäuser
  • AJS AG Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V.
  • Alte Schule/ Wir für Niendorf e.V.
  • Amnesty for Women e.V.
  • Asmaras World e.V.
  • Brot & Rosen. Diakonische Basisgemeinschaft e.V.
  • Fachstelle Migration und Asyl Kirchenkreis Hamburg-Ost
  • Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
  • 1&3 Hamburger Frauenhaus e.V.
  • 2. Hamburger Frauenhaus e.V.
  • 5. Hamburger Frauenhaus e.V.
  • 6. Autonomes Frauenhaus Hamburg
  • Interkulturelle Begegnungsstätte IKB e.V. mit LÂLE
  • KOOFRA e.V. Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel
  • Luthergarten und Regerhof - Flüchtlingshilfe & Stadtteildiakonie, Luthergemeinde Bahrenfeld
  • Hamburg Asyl (AG kirchliche Flüchtlingsarbeit)
  • Medibüro Hamburg
  • MiMi Hamburg
  • Ökumenische Arbeitsstelle Weitblick Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein
  • verikom gGmbH
  • Willkommenskulturhaus Kirchengemeinde Ottensen

Kontakt

KOOFRA e.V., Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel
info@koofra.de, Telefon 040 67999757

Lourdes Martínez, Sozialarbeiterin, Amnesty for Women e.V.
lourdes.martinez@amnestyforwomen.de, Telefon 040 384753

Marian Laue, Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Hamburg-Ost, Migration und Asyl
m.laue@kirche-hamburg-ost.de, Mobil 0176 11432071

 
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen

Das Hilfetelefon bietet Erstberatung / Krisenintervention für Betroffene und Angehörige sowie Beratung von Multiplikatoren.

Beratung und Unterstützung gibt es zu allen Formen von Gewalt gegen Frauen, beispielsweise: häusliche und sexualisierte Gewalt, Zwangsheirat, Frauenhandel und Gewalt im Rahmen von Prostitution.

Ein Angebot des Bundesamts für Familie
www.hilfetelefon.de

Rufen Sie an unter 08000 116 016